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vorschlagen, du lässt dich jetzt nach Mayfair fahren und
nimmst eine Beruhigungstablette. Wir bringen Gwendolyn
nach Hause, wenn wir mit ihr . . . fertig sind.«
»Ich lasse sie nicht allein«, flüsterte Mum.
»Caroline und Nick kommen bald aus der Schule, Mum.
Du kannst ruhig gehen. Ich kann schon auf mich aufpassen.«
»Kannst du nicht«, flüsterte Mum.
»Ich begleite dich, Grace«, sagte Lady Arista mit überra­
schend weicher Stimme. »Ich war zwei Tage ohne Unterbre­
chung hier und mein Kopf schmerzt. Die Dinge haben eine
wirklich unvorhergesehene Wendung genommen. Aber nun . .
. liegt es nicht mehr in unserer Hand.« »Sehr weise«, sagte Dr.
White.
Mum sah aus, als würde sie jeden Augenblick in Tränen
ausbrechen. »Also gut«, sagte sie. »Ich werde gehen. Ich ver­
traue darauf, dass alles getan wird, damit Gwendolyn nichts
zustößt.«
»Und dass sie morgen pünktlich in der Schule erscheinen
kann«, sagte Lady Arista. »Sie sollte nicht allzu viel versäu­
men. Sie ist nicht wie Charlotte.«
Ich schaute sie verblüfft an. An die Schule hatte ich über­
haupt nicht mehr gedacht.
»Wo sind mein Hut und mein Mantel?«, fragte Lady Arista.
Bei den Männern im Raum gab es eine Art kollektives Aufat­
men. Man konnte es nicht hören, aber sehen.
»Mrs Jenkins wird sich um alles kümmern, Lady Arista«,
sagte Mr de Villiers.
»Komm, mein Kind«, sagte Lady Arista zu Mum.
Mum zögerte.
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»Grace.« Falk de Villiers nahm ihre Hand und führte sie an
seine Lippen. »Es war ein großes Vergnügen, dich nach so vie­
len Jahren noch einmal wiederzusehen.«
»So viele Jahre waren das auch wieder nicht«, sagte Mum.
»Siebzehn.«
»Sechs«, sagte Mum und es klang ein bisschen beleidigt.
»Wir sahen uns auch auf der Beerdigung meines Vaters. Aber
wahrscheinlich hast du das vergessen.«
Sie schaute sich nach Mr George um. »Werden Sie auf sie
achtgeben?«
»Mrs Shepherd, ich verspreche Ihnen, dass Gwendolyn bei
uns sicher ist«, sagte Mr George. »Vertrauen Sie mir.«
»Es bleibt mir ja nichts anderes übrig.« Mum entzog Mr de
Villiers ihre Hand und schulterte ihre Handtasche. »Kann ich
noch einmal kurz unter vier Augen mit meiner Tochter spre­
chen?«
»Selbstverständlich«, sagte Falk de Villiers. »Gleich nebe­
nan bist du ungestört, wenn du willst.«
»Ich würde gern mit ihr nach draußen gehen«, sagte Mum.
Mr de Villiers zog seine Augenbrauen in die Höhe. »Hast
du Angst, wir belauschen dich? Beobachten dich durch Guck­
löcher in den Porträts?« Er lachte.
»Ich brauche einfach nur etwas frische Luft«, sagte Mum.
Der Garten war um diese Uhrzeit nicht für die Öffentlich­
keit zugänglich. Ein paar Touristen - erkennbar an den dicken
Fotoapparaten um den Hals - sahen neidisch zu, wie Mum ei­
ne der Pforten, ein verschnörkeltes Eisentor, zwei Meter hoch,
aufschloss und hinter uns wieder verriegelte.
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Ich war ganz entzückt von der Fülle der Blumenbeete, dem
satten Grün der Rasenfläche und dem Duft, der in der Luft
lag. »Das war eine gute Idee von dir«, sagte ich. »Ich kam mir
schon vor wie ein Grottenolm.« Sehnsüchtig hielt ich mein
Gesicht in die Sonne. Für Anfang April war sie erstaunlich
kräftig.
Mum setzte sich auf eine Teakbank und rieb sich mit der
Hand über die Stirn, eine ganz ähnliche Geste wie vorhin bei
Lady Arista, nur dass Mum nicht uralt dabei aussah. »Das ist
ein echter Albtraum«, sagte sie.
Ich ließ mich neben sie auf die Bank fallen. »Ja. Man
kommt nur kaum dazu, darüber nachzudenken. Gestern Mor­
gen noch war alles wie immer und dann plötzlich ... Ich habe
das Gefühl, mein Kopf platzt gleich, so viele Dinge muss er
auf einmal verarbeiten. Tausend kleine Informationen, die al­
le nicht richtig zusammenpassen wollen.«
»Es tut mir furchtbar leid«, sagte Mum. »Ich wünschte so
sehr, ich hätte dir das alles ersparen können.«
»Was hast du damals gemacht, dass sie jetzt alle so sauer auf
dich sind?«
»Ich habe Lucy und Paul geholfen zu fliehen«, sagte Mum.
Sie sah sich kurz um, als ob sie sichergehen wollte, dass uns
niemand belauschte. »Eine Zeit lang haben sie sich bei uns in
Durham versteckt. Aber natürlich haben sie es herausbekom­
men. Und Lucy und Paul mussten fort.«
Ich dachte daran, was ich heute erfahren hatte. Und plötz­
lich begriff ich, wo meine Cousine war.
Das schwarze Schaf der Familie lebte nicht etwa im Amazo­
nas unter Eingeborenen oder in Irland versteckt in einem
Nonnenkloster, wie Leslie und ich es uns als Kinder immer
ausgemalt hatten.
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Nein, Lucy und Paul waren ganz woanders.
»Sie sind mit dem Chronografen in der Vergangenheit ver­
schwunden, oder?«
Meine Mutter nickte. »Letztendlich hatten die beiden keine
Wahl. Aber es war keine leichte Entscheidung für sie.«
»Warum das?«
»Man darf den Chronografen nicht aus seiner Zeit entfer­
nen. Wenn man das tut, kann man selber auch nicht mehr zu­
rückreisen. Wer den Chronografen mit in die Vergangenheit
nimmt, muss dortbleiben.«
Ich schluckte. »Was für einen Grund kann es geben, dass
man so etwas in Kauf nimmt?«, fragte ich leise.
»Sie hatten begriffen, dass es in der Gegenwart für sie und
den Chronografen kein sicheres Versteck geben würde. Die
Wächter hätten sie früher oder später überall auf der Welt
aufgespürt.«
»Und warum haben sie ihn gestohlen, Mum?«
»Sie wollten verhindern, dass . . . der Blutkreis sich
schließt.«
»Was passiert, wenn der Blutkreis geschlossen ist?« Him­
mel, jetzt hörte ich mich schon genauso an wie einer von de­
nen. Blutkreis. Als Nächstes würde ich anfangen, in Reimen
zu sprechen.
»Hör zu, Liebling, wir haben nicht viel Zeit. Auch wenn sie
jetzt noch das Gegenteil behaupten: Sie werden versuchen,
dich an ihrer sogenannten Mission zu beteiligen. Sie brauchen
dich, um den Kreis zu schließen und das Geheimnis zu offen­
baren.«
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»Was ist das Geheimnis, Mum?« Ich hatte das Gefühl, diese
Frage schon tausendmal gestellt zu haben. Und innerlich
brüllte ich sie fast heraus.
»Ich weiß es genauso wenig wie die anderen. Ich kann auch
nur Vermutungen darüber anstellen. Mächtig ist es und große
Macht verleiht es demjenigen, der es zu nutzen weiß. Aber
Macht in den Händen der falschen Menschen ist sehr gefähr­
lich. Lucy und Paul waren der Ansicht, dass das Geheimnis
deshalb besser ungelüftet bleiben sollte. Sie haben dafür große
Opfer auf sich genommen.«
»Das habe ich schon verstanden. Ich habe nur nicht ver­
standen, warum.«
»Wenn auch einige der Männer dort drinnen möglicherwei­
se nur von wissenschaftlicher Neugier angetrieben sein mö­
gen, so sind die Absichten vieler anderer keinesfalls ehrenhaft.
Ich weiß, dass sie vor nichts zurückscheuen, um ihr Ziel zu er­
reichen. Du kannst keinem von ihnen trauen. Keinem, Gwen­
dolyn.«
Ich seufzte. Nichts von dem, was sie mir gesagt hatte, kam
mir in irgendeiner Weise nützlich vor.
Vor dem Garten hörten wir Motorengeräusch, dann hielt
ein Wagen vor dem Portal. Obwohl Autos hier eigentlich gar
nicht fahren durften.
»Es wird Zeit, Grace!«, rief Lady Arista von draußen.
Mum stand auf. »Oh, das wird herrlich heute Abend. Glen­
das eisige Blicke werden das Essen sicher gefrieren lassen.«
»Warum ist die Hebamme ausgerechnet heute verreist? Und
warum hast du mich nicht in einem Krankenhaus gekriegt?«
»Sie sollen die arme Frau bloß in Ruhe lassen«, sagte Mum.
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»Grace! Nun komm endlich!« Lady Arista klopfte mit der
Spitze ihres Regenschirmes gegen das Eisengitter.
»Ich glaube, du kriegst gleich Prügel«, sagte ich.
»Es bricht mir das Herz, dich allein lassen zu müssen.«
»Ich könnte einfach mit dir nach Hause gehen«, sagte ich,
aber noch während ich es sagte, wusste ich, dass ich das ei­
gentlich gar nicht wollte. Es war, wie Falk de Villiers gesagt
hatte: Ich war nun ein Teil dieser Sache und seltsamerweise
gefiel mir das.
»Nein, das kannst du nicht«, sagte Mum. »Bei den unkont­
rollierten Zeitsprüngen könntest du verletzt werden oder so­ [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]

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