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Doch das Interessanteste am Leben sind die Herausforderungen,
die sich uns bieten, und am Ende nehme ich die Einladung an.
Ich reise am 9. Dezember nach Oslo, und am nächsten Tag
einem herrlichen Sonnentag sitze ich bei der Verleihung des
Nobelpreises im Publikum. Aus den großen Fenstern des
Rathauses kann man den Hafen sehen, wo ich mehr oder
weniger zur gleichen Jahreszeit vor 21 Jahren mit meiner Frau
gesessen und auf das eisige Meer geschaut und Krabben
gegessen hatte, die gerade mit den Fischkuttern gekommen
waren. Ich denke an den langen Weg, der mich von diesem
Hafen in diesen Saal geführt hat, doch meine Erinnerungen
werden vom Klang der Trompeten unterbrochen, die den Einzug
der königlichen Familie ankündigen. Das Organisationskomitee
überreicht den Preis, Shirin Ebadi hält eine flammende Rede, in
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der sie anprangert, daß der Terror als Rechtfertigung für die
Schaffung eines Polizeistaates in der Welt gebraucht wird.
Abends, bei dem Konzert zu Ehren der Nobelpreisträgerin,
kündigt Catherine Zeta-Jones meinen Text an. In diesem
Augenblick drücke ich auf eine Taste meines Handys. In der
alten Mühle klingelt das Telefon (es war alles zuvor so
verabredet gewesen), und meine Frau ist bei mir, hört Michael
Douglas Stimme meine Worte lesen.
Es folgt der für den Anlaß geschriebene Text und ich denke,
er geht alle an, die für eine bessere Welt kämpfen.
Wie der persische Dichter Rumi einst sagte:
Das Leben ist so, als habe ein König dich ins Land geschickt,
damit du eine bestimmte Aufgabe erfüllst. Du machst dich auf
und erledigst Hunderte von anderen Aufgaben, aber wenn du
diese bestimmte Aufgabe, die dir aufgetragen wurde,
vernachlässigst, dann ist es, als hättest du überhaupt nichts
getan. Ein Mensch kommt auf die Welt, um eine bestimmte
Aufgabe zu erfüllen, dazu ist er hier; tut er es nicht, so wird
alles, was er getan hat, nichts sein.
Für die eine.
Für die eine, die ihre Aufgabe und ihre Bestimmung begriffen
hat.
Für die eine, die auf den Weg vor sich geschaut und begriffen
hat, daß eine schwierige Reise vor ihr lag.
Für die eine, die Schwierigkeiten nicht kleinredet, sondern
herausstellt und deutlich macht.
Für die eine, die den Einsamen das Gefühl gibt, nicht allein zu
sein, die jene befriedigt, die es nach Gerechtigkeit dürstet, die
den Unterdrücker sich so schlecht fühlen läßt wie die
Unterdrückten.
Für die eine, deren Tür immer offensteht, die stets zuhört, tätig
ist und unterwegs.
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Für die eine, die die Verse von Hafez, eines anderen
persischen Dichters, verkörpert, die da lauten: Nicht einmal
siebentausend Jahre des Glücks wiegen sieben Tage Traurigkeit
auf.
Für die eine, die heute nacht hier ist, möge sie eins sein mit
uns allen, möge ihr Beispiel Schule machen, möge sie in der
Lage sein, wenn auch noch Schwierigkeiten vor ihr liegen, alles
zu tun, was zu tun ist, damit die nächste Generation nicht nach
etwas streben muß, was bereits erreicht ist.
Und möge sie langsam gehen, denn ihr Schrittempo ist das der
Veränderung.
Und Veränderung, wirkliche Veränderung, braucht immer ihre
Zeit.
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Jemand kommt aus Marokko
Jemand kommt aus Marokko und erzählt mir eine witzige
Geschichte darüber, wie bestimmte Wüstenvölker die Erbsünde
sehen.
Eva ging durch den Garten Eden, als die Schlange sich ihr
näherte.
»Iß diesen Apfel«, sagte die Schlange.
Eva, die von Gott wohl vorbereitet worden war, weigerte sich.
»Iß diesen Apfel«, ließ die Schlange nicht locker, »denn du
mußt für deinen Mann noch schöner werden.«
»Das brauche ich nicht«, entgegnete Eva. »Denn er hat keine
andere Frau neben mir.«
Da lachte die Schlange.
»Selbstverständlich hat er eine.«
Und weil Eva ihr nicht glauben wollte, führte die Schlange sie
auf einen Hügel, wo es einen Brunnen gab.
»Sie ist in dieser Höhle. Adam hält sie dort versteckt.«
Eva beugte sich darüber und sah das Spiegelbild einer schönen
Frau im Wasser des Brunnens. Und aß umgehend den Apfel,
den die Schlange ihr anbot.
Demselben Stamm aus Marokko zufolge kehrt nur derjenige
wieder ins Paradies zurück, der sich im Spiegelbild des
Brunnens erkennt und sich selber nicht mehr fürchtet.
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Meine Beerdigung
Der Journalist der : Mail on Sunday9 , der mich in meinem
Londoner Hotel aufsucht, fragt mich: Wenn ich heute sterben
würde, wie sähe dann meine Beerdigung aus?
Ehrlich gesagt denke ich jeden Tag an den Tod, seit ich 1986
den Jakobsweg gegangen bin. Bis dahin war der Gedanke, eines
Tages hätte alles ein Ende, erschreckend für mich. Aber ein
Exerzitium auf dieser Pilgerwanderung bestand darin, das
Gefühl des Lebendig-begraben-Werdens zu durchleben. Dieses
Gefühl war so intensiv, daß es mir die Angst vor dem Tod
vollkommen nahm und ich ihn seither als den großen Gefährten
auf meiner Lebenswanderung sehe, der immer neben mir ist und
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